Mein Zwillingsbruder, der Golf-Legionär
- bthalmayr
- 14. Jan. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 12. Feb. 2020
Es ist 6 Uhr morgens Ortszeit in Jacksonville, einer Kleinstadt in Alabama mit rund 12 000 Einwohnern. Die ortsansässige Universität, das einzig aufregende in der

Einöde der Südstaaten-Prärie, scheint noch zu schlafen. Allein im sogenannten Gym, dem Kraftraum für die College-Athleten, brennt schon Licht. Footballer, Basketballer, Baseballer – allesamt Hoffnungsträger des amerikanischen Ballspiels – wuchten in aller Frühe Hanteln.
Einer hat sich unter die athletische Meute gemischt, der das „R“ ein bisschen weniger rollt und dem das sprachtypische „th“ etwas schwerer von der Zunge geht. Benedikt Thalmayr heißt er, ist 19 Jahre alt und mein Bruder. Was er an einer Uni in der amerikanischen Provinz so treibt, während ich zur gleichen Zeit (13 Uhr MEZ) beim Mittagessen sitze? Und was ihn dorthin verschlagen hat? Der Golfsport.
Seit nunmehr fast einem Jahrzehnt ist das kleine, weiße Stück Kunststoff mit Hartgummi-Kern Dreh- und Angelpunkt im Leben von Benedikt. Das der Bub eine Exklusiv-Beziehung zu Bällen jeglicher Art pflegt, das wussten ich und manch anderer Bolzplatz-Kicker aus Türkenfeld schon lange. Den Fußball jonglieren, in Bayern sagt man danteln, und das 300 Mal – kein Problem. Die Tricks, die er sich bei Ronaldinho oder Jay-Jay Okocha abschaute, waren nach zwei Nachmittagen verinnerlicht. Beim Tennis oder Basketball, da machte er auch eine ganz passable Figur.
Nach dem Abi ging's über den großen Teich
Was Benedikt fehlte, war ein durchsetzungsfähiger Körper. Ich war mir nie sicher, ob es tatsächlich Muskeln sind, die da an Sehnen von seinen Knochen hingen – allerdings hab ich ihn seit Januar diesen Jahres nurmehr via Skype zu Gesicht bekommen. Er trainiert ja viel, dort drunten in Jacksonville, USA, Bundesstaat Alabama, an der Jacksonville State University (JSU).
Den Golfsport lernte er während eines Familienurlaubs im oberösterreichischen Ampflwang lieben. Pfingsten 2007 war das. Bei einem Golflehrer, der phänotypisch und dem Dialekt nach sehr gut als Double von Hansi Hinterseer funktioniert hätte – aber das nur am Rande. Seither ging’s rasant bergauf. Der GC Olching ist seit einigen Jahren sein Stammverein in der Heimat. Auf höchstem Niveau spielte er dort mit seiner Mannschaft in der Bundesliga, holte auch einige Einzeltitel, war 2014 bayerischer Jugendmeister.
Nach dem Abitur 2015 zog es ihn dann über den großen Teich. Er stand vor der Wahl. Gleich Profi werden, mit einem Handicap von +1,9 wäre das durchaus eine Option gewesen. Oder zur Uni gehen. Da unsere Mutter stets das letzte Wort hat und ein Hochschulabschluss ohnehin eine gute Basis ist, flogen wir in die USA, schauten uns Universitäten an. Fünf Hochschulen haben ein monetäres Gebot für die golferischen Dienste meines Bruders abgegeben. Manche mehr, manche weniger.
Als er dann allerdings das erste Mal vorspielte – bei einem Coach in North Carolina war das – ging das Buhlen richtig los. Die Trainer von Alabama bis Florida – sie mussten sich wohl telefonisch verständigt haben – schienen sich plötzlich einig zu sein: Was der „young German“ mit dem kleinen weißen Bällchen macht, unterscheidet sich von dem, was man da drüben üblicherweise zu sehen bekommt.
Er hat das bayerische Steyrer-Hans-Gen
Ja, Talent das bringt er mit, mein Bruder, zweifelsohne. Was ihn allerdings gefährlich macht auf dem Golfplatz, das ist seine Verbissenheit, seine Akribie. Im Moment höchster Anspannung ist er in der Lage, das sagenumwobene Schippchen draufzulegen. Ich glaube nicht, dass es die Art wilhelminische Verbissenheit ist, die die Amis den Deutschen sowieso attestieren. Nein, ich hoffe und glaube, es ist die Art Wettkampf-Überlegenheit, die man vom FC Bayern auf dem Fußballrasen, vom Markus Wasmeiers auf der Skipiste oder vom gleich nebenan in Zankenhausen beheimateten Mang Toni auf seinem WM-Motorrad kennt: Das bayrische Steyrer-Hans-Gen.
Ach ja, Student ist Benedikt neben dem Golf übrigens auch noch. BWL. Für ihn ist das allerdings Nebensache. Golfprofi werden ist, was er will. Nicht Irgendeiner, sondern der Beste. Nicht mehr und nicht weniger. Der bayerische Herkules des weißen Sports. Dafür wuchtet man schon in der Eisenkammer mal Hanteln um 6 Uhr morgens, irgendwo da drunten in Alabama, während ich in Türkenfeld gerade Brotzeit mache.
von Johannes Thalmayr
Comments